EU-USA Handelsdeal: WTO-Kompatibilität und MFN-Prinzip auf dem Prüfstand

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By Sebastian

Das jüngste, am 21. August geschlossene Handelsabkommen zwischen der Europäischen Union und den Vereinigten Staaten stellt eine komplexe Herausforderung für die etablierten Normen des Welthandels dar. Obwohl es als Schritt in Richtung Liberalisierung dargestellt wird, wirft die präferenzielle Zollbehandlung für US-Waren unmittelbar Fragen hinsichtlich ihrer Vereinbarkeit mit dem Meistbegünstigungsgrundsatz (MFN) der Welthandelsorganisation (WTO) auf, einem Eckpfeiler des nichtdiskriminierenden globalen Handels. Diese Situation bringt die EU, eine vehemente Verfechterin des regelbasierten Multilateralismus, in eine heikle Lage bezüglich ihrer internationalen Verpflichtungen.

  • Das Abkommen zwischen EU und USA stellt etablierte Handelsnormen in Frage.
  • Präferenzielle Zölle für US-Waren kollidieren potenziell mit dem WTO-Meistbegünstigungsgrundsatz.
  • Die Glaubwürdigkeit der EU als Verfechterin des Multilateralismus steht auf dem Prüfstand.
  • Bestimmte US-Industrie- und Agrarprodukte erhalten zollfreien Zugang zum EU-Markt.
  • Diese Regelung wird unter WTO-Regeln als diskriminierend eingestuft.
  • Andere Handelspartner der EU könnten sich dadurch benachteiligt fühlen.

Konkret sieht das bilaterale Abkommen einen zollfreien Zugang für bestimmte US-Industriegüter und Agrarprodukte zum EU-Markt vor. Diese Regelung erscheint, wie von Julien Blanquart von der Anwaltskanzlei SheppardMullin angemerkt, gemäß den WTO-Regeln diskriminierend. Der MFN-Grundsatz schreibt vor, dass jeder einem WTO-Mitglied gewährte Zollvorteil auf alle Mitglieder universell angewendet werden muss – ein Standard, der durch diese gezielten Zugeständnisse offenbar umgangen wird. Folglich könnten andere internationale Partner der EU, die keinen ähnlichen Marktzugang erhalten, dies als unfairen Nachteil empfinden.

WTO-Konformität und die Begründung der EU

Die Europäische Kommission tritt dieser Einschätzung jedoch entgegen, indem sie Artikel 24 des WTO-Übereinkommens anführt. Dieser Artikel erlaubt die Bildung von Freihandelszonen oder Interimsabkommen, sofern sie einen wesentlichen Teil des Handels zwischen den teilnehmenden Parteien umfassen. Ein hochrangiger EU-Beamter betonte, dass die von den USA und der EU am 21. August veröffentlichte gemeinsame Erklärung das Abkommen als eine Anfangsphase in einem umfassenderen Prozess darstellt, der darauf abzielt, den Marktzugang zu verbessern und ihre Handels- und Investitionsbeziehungen im Laufe der Zeit zu stärken.

Trotz dieser Begründungen bleibt das aktuelle Abkommen primär eine politische Erklärung und kein rechtlich bindender Vertrag. Blanquart betont, dass seine letztendliche Vereinbarkeit mit den WTO-Regulierungen gänzlich von seiner endgültigen rechtlichen Formulierung und der anschließenden formellen Notifikation an die WTO abhängt. Ohne einen definitiven, offiziell veröffentlichten Text bleibt die Rechtslage des Abkommens prekär, wodurch es potenziell Anfechtungen vor dem Streitbeilegungsorgan der WTO durch benachteiligte Mitgliedsländer ausgesetzt wäre.

Systemische Implikationen für den Welthandel

Die Wirksamkeit einer solchen Anfechtung wird jedoch durch die anhaltende Lähmung des Streitbeilegungsorgan der WTO erheblich beeinträchtigt, die primär auf die Weigerung der USA zurückzuführen ist, neue Ernennungen für ihr Berufungsgremium zu genehmigen. Diese systemische Schwäche in der globalen Handelsgovernance erschwert die Lösung internationaler Handelsstreitigkeiten und verschärft die politischen Auswirkungen für die EU. Sollte das Abkommen letztendlich als nicht WTO-konform eingestuft werden, würde dies nicht nur die Glaubwürdigkeit der EU als Verfechterin des Multilateralismus untergraben, sondern auch einen weiteren erheblichen Rückschlag für das globale, regelbasierte Handelssystem bedeuten. Die wirtschaftlichen und diplomatischen Konsequenzen einer solchen Entscheidung könnten über die unmittelbare Handelsbeziehung hinausgehen und umfassendere internationale Handelsverhandlungen sowie das Vertrauen in etablierte globale Institutionen beeinträchtigen.

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